Un pranzo irlandese – oder Mittagessen auf ökumenisch

Christian, vuoi venire per il pranzo martedì? Sarebbe un grande piacere averti con noi…” fragt mich Robert auf der Schwelle des Hörsaals C208 der Gregoriana nach der Vorlesung mit breitestem irischen Akzent. Ich kenne Robert erst seit kurzem mit Namen, obwohl wir schon seit einigen Wochen zwei Vorlesungen gemeinsam an der Greg. besuchen. Er ist Seminarist des irischen Kollegs in Rom, genau wie ich erst seit einem halben Jahr in Rom und selbst für jemanden von den Britischen Inseln ist er unwiderstehlich höflich und zuvorkommend. Meine Zusage zu dem Mittagessen hatte er sich also schnell gesichert, gewiss nicht zu meinem Nachteil.

Wenn für manche katholischen Studierende Rom der schönste Ort der Welt ist, ist das irische Kolleg sowas wie der dazugehörige VIP-Bereich.

Unweit des Kolosseums in einem Gebäude, das eher einer Villa gleicht, gelegen verfügt es über eigene Gärten, eine umfangreiche Bibliothek, eine riesige Terrasse mit unvergleichlichem Ausblick, einen Pool, ein Fitnessstudio, ein eigenes Theater und einen Tennisplatz. Und so rutscht mir nach dem ersten Rundgang auch auf Deutsch heraus: „Das ist ja zum Katholischwerden schön.“ Keines der Priesterseminare, das ich in Rom besucht habe, muss sich verstecken, aber das irische Kolleg ist schon etwas Besonderes, selbst für römische Verhältnisse. Nach ersten Einblicken bin ich auch eingeladen zum gemeinsamen englischem und gälischen (!) Rosenkranz-Gebet, das Robert selbst leitet. Er sagt mir allerdings etwas schüchtern auch, dass es mir als Protestant natürlich auch freistünde, nicht an dem Gebet teilzunehmen, wenn ich nicht wolle. Nach dieser spirituellen Stärkung entpuppt sich das angekündigte Mittagessen dann als fürstliches Vier-Gänge-Menü, wobei ich als Gast direkt neben dem Pater-Rektor zu sitzen komme und offiziell von Robert den anderen vorgestellt werde. Alle sind sehr aufgeschlossen und interessiert. Auf den Nachtisch folgt natürlich noch der italienische café auf der Terrasse und dann die obligatorische irische teatime im Aufenthaltsraum. Bei Tee, Keksen und Musik kommt man schnell ins Gespräch, wobei klar wird, dass Robert einer der wenigen ist, der des Italienischen wirklich mächtig ist, sodass wir ins Englische wechseln. Die Themen wechseln hin und her: Von Papst, Ökumene und italienischem Essen bis hin zu Fußball und Heimatgefühlen. Nach diesen spannenden Gesprächen mit den Seminaristen mache ich mich gefühlt zweieinhalb Kilo schwerer wieder auf den Heimweg.

Diese kurze Episode eines unvergesslichen Montagnachmittags ließe sich beliebig durch ähnliche Erfahrungen ergänzen. So habe ich beispielsweise Robert kennengelernt, als wir beide zu einem Essen anlässlich des Patronatsfestes des griechisch-katholischen Kollegs eingeladen waren. Sie zeigt aber exemplarisch die wunderbare Offenheit und Gastfreundschaft der Seminaristen, die ich während meines Studienjahres kennenlernen durfte. Neben der theoretischen Auseinandersetzung empfand ich diese persönlichen ökumenischen Begegnungen als mindestens ebenso bereichernd. Hier merkte ich am deutlichsten, dass auch katholische Seminaristen keine Wesen von einem anderen Stern sind, auch wenn ihre Ausbildung sie manchmal so erscheinen lassen mag. Sie sind Menschen aus Fleisch und Blut, mit einer eigenen menschlichen Vergangenheit, einem persönlichen Glauben, eigenen Vorstellungen, Träumen und Befürchtungen. Diese persönliche Ebene mit diesen jungen Seminaristen geteilt zu haben, – sei es beim Tee oder beim gemeinsamen Gebet – war für mich ein großes Privileg und vielleicht das hoffnungsvollste Zeichen für die Ökumene in meinem Studienjahr.

Christian Koch