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Fare bella figura: wie kleide ich mich in Rom?
In unregelmäßigen Abständen bitten wir Melantonini des aktuellen Studienjahres um Eindrücke aus der ewigen Stadt. Dieser Bericht handelt von der Wichtigkeit richtig auszusehen.

Schon in den ersten Wochen fielen mir die von Kopf bis Fuß perfekt gekleideten, um nicht zu sagen „durchgestylten“, Damen im weit fortgeschrittenen Alter auf. In der bis zum Rande vollgestopften Metro die Haltung bewahren zu können, den mit großer Sorgfalt ausgewählten, roten Lippenstift nachzuziehen, scheinbar mühelos zu große und zu schwere  und zu volle Einkaufstaschen zu tragen und derweil auf dünnen, hohen Absätzen schwarzer Lackschuhe zu stehen – das ist aus meiner Sicht eine große Kunst, die die Römerin jeden Alters geradezu meisterhaft zu beherrschen scheint. „Fare una bella figura“ ist das Stichwort, und dabei heißt es: Aufpassen, dass man nicht beklaut wird, bequem mit einer Hand den telefonino halten, in den man lautstark und in einer unbeschreiblichen Geschwindigkeit hineinplappert, und zudem trotz übergroßer Sonnenbrille genau im Blick haben, wann der richtige Zeitpunkt ist, um sich schnell und wendig mit einem unbarmherzigen und durchdringenden „permesso!“ direkt vor die Metrotür zu drängeln, um so schnell wie möglich wieder bei Tageslicht die Abgase der römischen Straßen einzuatmen, statt stickiger Metroluft.

Sich in Rom fortzubewegen, um in typisch deutscher Manier pünktlich den gewünschten Treffpunkt zu erreichen ist gar nicht so einfach. Und dabei nicht auf den ersten Blick als Tourist enttarnt zu werden, erst recht nicht. Schon frustrierend, wenn man den Eindruck hat, dass Damen, die problemlos meine Großmutter sein könnten, besser gekleidet sind als ich… Seit Monaten des Besuchs sowohl nahe gelegener theologischer Fakultäten (zwei Treppen hinunter, schon sitzt man in der „Aula B“ der Facoltà Valdese di Teologia), als auch etwas weiter entfernter päpstlicher Hochschulen (San’Anselmo, Gregoriana, Marianum, Antonianum und wie sie alle heißen) habe ich mir die Frage gestellt: Wann werde ich endlich als zumindest vorübergehende Bewohnerin römischen Grund und Bodens anerkannt? „Do you want a Selfie-Stick?“ oder auch „Offerta, offerta – solo oggi, solo oggi!“ lauten die meistens aufdringlichen und etwas frustrierenden Angebote der Straßenverkäufer Roms, die mich auslachen, wenn ich nach geschlagenen sieben Monaten noch immer nicht weiß, dass eine echte Römerin IMMER einen Schirm dabei hat und ich stattdessen wie ein begossener Pudel klatschnass durch die kleinen, romantischen Gassen der (zum Glück) äußerst selten verregneten Ewigen Stadt renne. Währenddessen hat der Straßenverkäufer natürlich innerhalb von Sekunden sein Sortiment von Sonnenbrillen und glitschigen, kleinen Spielzeugmonstern um Regenschirme erweitert und grinst die dämliche „Touristin“ an, die einige Probleme zu haben scheint, eine gute Figur abzugeben.


Doch dann kommt er letzten Endes doch: der Durchbruch. Nachdem die Zeit immer mehr zu rasen begonnen hat und die Abschlussreise nach Sizilien mit großen Schritten naht, ist es so weit. Ich habe gelernt, meine rote Softshelljacke von Jack Wolfskin gegen eine Lederjacke einzutauschen und neben dem Regenschirm (der auch als Schutz vor den Exkrementen der unzähligen Zugvögel dient) auch jederzeit eine Sonnenbrille in der Handtasche zu haben. Und dann werde ich doch tatsächlich angesprochen, an einem Nachmittag, an dem ich im sehr wenig italienischen Jogging-Outfit schon leicht verschwitzt mit etwas beschleunigtem Schritt über den Zebrastreifen eile (den natürlich kein italienischer Autofahrer wirklich beachtet, außer er läuft Gefahr, den nächsten Fußgänger auf seiner Windschutzscheibe wiederzufinden): „Excuse me, you’re from Rome, aren’t you? Can you tell me where I can find,…“

An diesem Abend bin ich mir sicher, dass auch Menschen in meinem Umfeld jetzt wahrnehmen können, was ich schon eine Weile weiß – dass ich keine Touristin mehr bin. Auch wenn wir nicht immer original-römisch aussehen, noch nicht ganz so braun gebrannt sind und manchmal in den falschen Bus einsteigen, um bei der nächsten Haltestelle unauffällig wieder auszusteigen und in die Gegenrichtung zu fahren: Wir sind in Rom angekommen. Fare una bella figura heißt manchmal eben auch in Sportklamotten am Tiber entlangrennen. In diesem Sinne „grüßen euch die von Italien“ (Hebr. 13,24b), um nicht zu sagen die „Möchtegern-Römer“ bzw. der diesjährige Melantonini-Jahrgang recht herzlich.

Damaris Läpple